Alle Personenbezeichnungen in diesem Blog beziehen sich gleichermaßen auf sämtliche Geschlechtsidentitäten. Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir stellenweise ein kursives innen; dies dient allein der sprachlichen Klarheit und ist nichtdiskriminierend gemeint.
In der Praxis übernehmen die Stellen der HR-Leiterinnen, People Leads, HR Business Partner, Compliance Officer und interne Ermittlerinnen die Aufgaben der internen Meldestellenbeauftragten. Sie müssen einerseits Beschwerdeführerinnen (hinweisgebende Personen) ermutigen, Missstände zu melden, und andererseits die beschwerten Personen (Beschuldigte) fair behandeln. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie #MeToo-Vorwürfe im Unternehmen sachgerecht untersuchen und gleichzeitig den Hinweisgeberschutz gewährleisten – von den rechtlichen Rahmenbedingungen über das Gebot der Vertraulichkeit bis hin zu einem Praxisleitfaden in 10 Schritten.
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Rechtlicher Rahmen: HinSchG, AGG, DSGVO und BetrVG im Überblick
Ein solides Verständnis der Rechtslage ist die Basis für jede interne Untersuchung. Neben HinSchG, AGG, DSGVO und BetrVG verpflichten auch das Aktiengesetz (AktG) und das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) Unternehmen zur aktiven Aufarbeitung interner Missstände (§ 93, § 111 AktG sowie § 130 OWiG). Wer Hinweise auf mögliche Pflichtverletzungen ignoriert oder nicht gewissenhaft aufklärt, riskiert persönliche Haftung und Bußgelder. Vorstände und Geschäftsführende tragen hier besondere Verantwortung: Sie müssen nicht nur Compliance-Strukturen schaffen, sondern bei Verdachtsmomenten umgehend Untersuchungen einleiten – alles andere kann als Organisationsverschulden gewertet werden.
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet Unternehmen ≥50 Mitarbeitende, eine interne Meldestelle einzurichten, über die Hinweisgebende sicher Verstöße melden können. Das HinSchG schützt Whistleblower vor Kündigung und Repressalien und schreibt strenge Vertraulichkeit vor. Eingehende Hinweise müssen zügig bearbeitet werden – inklusive Empfangsbestätigung binnen 7 Tagen und Rückmeldung innerhalb von 3 Monaten. Verstöße (z.B. Offenlegung der Identität oder Vergeltungsmaßnahmen) können mit Bußgeldern bis 50.000 € geahndet werden.
Das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt Benachteiligungen, insbesondere sexuelle Belästigung (§ 3 Abs. 4 AGG) ausdrücklich. Arbeitgeber sind verpflichtet, für den Schutz der Beschäftigten zu sorgen und belästigende Verhaltensweisen zu unterbinden. Wird ein Verstoß festgestellt, muss der Arbeitgeber laut § 12 Abs. 3 AGG geeignete Maßnahmen ergreifen – etwa Abmahnung, Versetzung oder (in gravierenden Fällen) Kündigung. Die Maßnahmen müssen wirksam sein, um weitere Übergriffe zu verhindern.
Der Datenschutz (DSGVO/BDSG): Interne Ermittlungen verarbeiten sensible personenbezogene Daten (z.B. Aussagen über das Verhalten von Personen). Unternehmen müssen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte wahren. Allerdings steht das Vertraulichkeitsgebot des HinSchG auf den ersten Blick in Widerspruch zu den Informations- und Auskunftsansprüchen der DSGVO. Hier gilt es, sorgfältig abzuwägen: Es bestehen Ausnahmeregelungen, die es ermöglichen, Betroffene (z.B. beschwerte Personen) vorerst nicht zu informieren, wenn dies den Untersuchungszweck gefährden würde. Wichtig ist, dass alle Datenverarbeitungen auf einer rechtmäßigen Grundlage erfolgen (Art. 6 Abs. 1c DSGVO i.V.m. HinSchG) und Zugriffsrechte auf den Personenkreis beschränkt bleiben, der die Untersuchung durchführt.
Und zuletzt: Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), denn das HinSchG selbst macht keine Vorgaben zur Rolle des Betriebsrats bei Meldestellen. Dennoch muss der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG vor Einführung eines internen Hinweisgebersystems informiert werden. Ein Mitbestimmungsrecht besteht dem Wortlaut nach nicht, da die Einrichtung der Meldestelle gesetzlich vorgeschrieben ist, außer es werden technische Lösungen eingesetzt – was die Best Practice ist. Dazu empfiehlt es sich, den Betriebsrat frühzeitig einzubeziehen – zum Beispiel durch eine Betriebsvereinbarung zum Meldesystem. Unabhängig vom Hinweisgebersystem haben Beschäftigte zudem das Recht, sich bei Benachteiligung – etwa Versetzung aufgrund einer Beschwerde – beim Arbeitgeber oder Betriebsrat zu beschweren (§§ 84, 85 BetrVG).
Der Vertraulichkeitsgrundsatz als oberstes Gebot im HinSchG und bei #MeToo-Ermittlungen
Eine vertrauliche Behandlung aller Hinweise und Ermittlungen ist der Schlüssel zum Erfolg interner #MeToo-Untersuchungen. Das HinSchG normiert ein strenges Vertraulichkeitsgebot: Die Identität der hinweisgebenden Person darf nach § 9 Abs. 3 HinSchG nur an die für die zuständige Stelle für Folgemaßnahmen weitergeben werden, wenn dies erforderlich ist und die hinweisgebende Person zuvor in diese Weitergabe eingewilligt hat. In der Praxis bedeutet dies, dass der Name der hinweisgebenden Person ohne deren Zustimmung auch nicht an die Ermittler weitergeben werden darf, wenn diese nicht selbst Teil der Meldestelle sind.
Jede Weitergabe dieser Informationen ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig – etwa, wenn die hinweisgebende Person vorsätzlich falsche Informationen gemeldet hat oder in einem Strafverfahren die Preisgabe auf behördliche Anordnung erfolgt. In der Praxis bedeutet das: „Need-to-know“-Prinzip.
Die beschwerte Person darf nicht befragt werden, wenn dadurch die hinweisgebende Person identifiziert werden könnte – es sei denn, diese stimmt der Weitergabe vorab inTextform ausdrücklich zu. Gerade bei #MeToo-Fällen, in denen hinweisgebende Person und Opfer oft identisch sind, entstehen dadurch schwierige Abwägungen. Um Klarheit zu schaffen, sollten separate Einverständniserklärungen zur Entbindung von der Vertraulichkeit genutzt werden.
📄 Kostenlose Vorlage: Einwilligung zur Offenlegung der Identität gemäß § 9 Abs. 3 HinSchG
Nutzen Sie unsere Mustervorlage zur freiwilligen Entbindung von der Vertraulichkeit durch die hinweisgebende Person – geeignet zur Dokumentation der Einwilligung in Ermittlungsverfahren nach dem Hinweisgeberschutzgesetz.
Klare Rollenverteilung: Compliance vs. HR
Bei #MeToo-Ermittlungen treffen oft zwei Funktionsbereiche aufeinander – Compliance und Human Resources (HR). Damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, sollten die Rollen klar definiert sein:
Compliance-Abteilungen bringen in der Regel methodisches Know-how für interne Untersuchungen mit. Sie sorgen für die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und Prozessen. In einem Hinweisgebersystem nach HinSchG ist oft die Compliance (oder eine Rechtsabteilung) als Meldestelle benannt. Compliance-Officer achten darauf, dass kein Aspekt unter den Tisch fällt, dass Fristen (z.B. Rückmeldungen an Hinweisgebende) eingehalten werden und dass die Dokumentation sauber geführt wird. Kurzum: Compliance wahrt die Formalität, Unabhängigkeit und Integrität des Verfahrens.
HR wiederum hat die Expertise im Arbeitsrecht und Personalmanagement. HR-Manager kennen die Beteiligten meist persönlich, was Vor- und Nachteile haben kann. Einerseits kann HR besser einschätzen, welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen realistisch durchsetzbar sind und welche Folgen sie für das Team haben. Andererseits besteht die Gefahr von Interessenkonflikten, etwa wenn die beschuldigte Person eine Führungskraft ist, mit der HR eng zusammenarbeitet. Daher gilt: Bei sensiblen Fällen sollte HR nicht allein ermitteln, sondern gemeinsam mit Compliance oder externen Stellen, um Neutralität sicherzustellen. Oft übernimmt HR vor allem die anschließende Umsetzung der Maßnahmen (Abmahnung, Versetzung etc.) und die Kommunikation gegenüber derdem Betroffenen und der Führungslinie, während Compliance/Legal die Aufklärung leitet.
Wichtig ist, dass beide Bereiche an einem Strang ziehen: HR sorgt für das Wohl der Mitarbeitenden und arbeitsrechtliche Konsequenzen, Compliance für die Rechtskonformität und Prozesssicherheit. Gemeinsame Schulungen und abgestimmte Richtlinien helfen, Verständnis füreinander zu fördern. Letztlich verfolgen beide das gleiche Ziel: Ein faires, sicheres Arbeitsumfeld, in dem Fehlverhalten keinen Platz hat.
Tipp: Definieren Sie in einer internen Richtlinie oder Prozessbeschreibung, wer bei welchen Arten von Hinweisen federführend ist. So vermeiden Sie Kompetenzgerangel im Ernstfall. Call-To-Action zum Best Practice Guide einer Ermittlungsrichtlinie
Konsequentes Handeln und Prävention zahlen sich aus
Für Arbeitgeber bedeutet das, eine Kultur zu etablieren, in der Fehlverhalten offen angesprochen und fair geklärt wird. Wer klare Prozesse definiert, rechtliche Vorgaben einhält und alle Beteiligten – Beschwerdeführerin, Hinweisgebende, beschuldigte Person, Betriebsrat – respektvoll einbezieht, minimiert Risiken und stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden.
Interne Untersuchungen bei Vorwürfen sexueller Belästigung sind anspruchsvoll, aber mit dem richtigen Know-how lassen sie sich bewältigen. Wichtig ist, dass HR und Compliance an einem Strang ziehen, Vertraulichkeit gewahrt bleibt und am Ende Taten folgen – sei es durch angemessene Sanktionen oder präventive Maßnahmen. So wird aus jedem Hinweis eine Chance, die Unternehmenskultur zu verbessern.
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